Durchsetzungsmöglichkeiten für freie Lizenzen (Teil 1)

In der Sache „Software Freedom Conservancy, Inc. v. Vizio, Inc.“ erging am 29.12.2023 in Kalifornien eine willkommene Entscheidung zu meiner juristischen Lieblingsfrage aller Zeiten:

Sind Share-Alike-Klauseln in Open Source Lizenzen bloß auflösende Bedingungen oder ermöglichen sie einem Dritten, von dem Rechtsinhaber des Derivats zu verlangen, Source Code offenzulegen und mit dem Dritten eine Lizenzvereinbarung unter den gleichen Bedingungen zu schließen?

Zur Erklärung an dieser Stelle zuerst ein bisschen Lyrik dazu, wie aus Copyright Copyleft wurde:

Wem nach dem Zivilrecht – wozu auch das Urheberrecht zählt – ein vermögenswertes Recht zusteht, der ist gegen fremde Eingriffe in dieses Recht durch das Zivil-, manchmal sogar durch das Strafrecht geschützt, und genießt in Deutschland die Eigentumsgarantie von Art. 14 GG. Zwar ist der Begriff „intellektuelles Eigentum“ in deutschen Rechtskreisen zum Teil unbeliebt. Der spiegelt aber gelungen die klassische Grundeinstellung vieler Industrien zu immateriellen Güterrechten.

Und zwar...

Das Zivilrecht ist maßgeblich durch den Gedanken der Privatautonomie geprägt. Auf dem Gebiet des Urheberrechts wurde diese Privatautonomie bis vor ungefähr 30 Jahren immer in der gleichen klaren Richtung ausgeübt: wer in Genuss eines Verwertungsrechts kam, wollte typischerweise die Nichtbefugten von der Verwertung (Vervielfältigung, Verbreitung, etc.) seines Werkes ausschließen und den zahlungsfähigen Vertragspartnern Nutzungsrechte einräumen.

Die „Spielzeuge“ des Urheberrechts, wie die geschützten Werke (etwa Computerprogramme), Verwertungsrechte (etwa das Verbreitungsrecht und das Bearbeitungsrecht) und Nutzungsrechte, sind seitdem immer noch die Gleichen. Die Open-Source.Community und die dazugehörigen Freien Lizenzen wie GPL und Creative Commons stellten allerdings der alten Copyright-orientierten Welt ein komplett neues „Copyleft“-Spiel mit den Bausteinen des Urheberrechts vor:

Wie auch das alte Spiel ist auch das Neue Ausdruck der zivilrechtlichen Privatautonomie. Genauso wie der berechtigte Wille des einen sein kann, andere von der Ausübung bestimmter Befugnisse auszuschließen oder solche Ausübung nur gegen Entgelt zu erlauben, kann der Wille des anderen Urhebers auch sein, das freie Weiterleben seines Werkes zu gewährleisten, indem jeder es weiterentwickeln kann, bis der Schneeballeffekt daraus ein enormes technisches und (oder) Kulturprodukt (Linux, Wikipedia) bildet. Dafür ist aber nach der Copyleft-Spiellogik erforderlich, dass auch die Weiterentwicklung der Bearbeitungen durch die Rechtsausübung des Urhebers des abgeleiteten Werkes nicht verhindert wird, sodass der Schneeballeffekt daran nicht stolpert.

Dazu, welche rechtlichen Instrumente zur Aufrechterhaltung von diesem Schneeballeffekt dem Community bisher zur Verfügung standen, welche nicht, und was daran die neue amerikanische Entscheidung zu ändern vermag, komme ich im nächsten Teil von diesem Beitrag!

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